Das Konzept

Musiktheater als Brücke in einer gespaltenen Gesellschaft

Von südafrikanischen Musikpädagogen lernen

Seit seiner Gründung im Jahr 2010 versucht Umculo, ein musikpädagogisches Programm zu erarbeiten, das sich auf die Erfahrungen südafrikanischer Musiklehrer stützt, anstatt den Teilnehmern Konzepte aus anderen Ländern aufzuzwingen. Die venezuelanische Initiative El Sistema liefert, basierend auf 35 Jahren Erfahrung, eine Vorlage für die Arbeit mit Musik als Motor für sozialen Wandel. In Venezuela hatten bislang mehr als 400.00 Kindern – meist aus Familien, die unter der Armutsgrenze leben – die Gelegenheit, ein Orchesterinstrument zu lernen, in Musikgruppen mitzuwirken und, sehr häufig, ein im internationalen Vergleich überdurchschnittliches musikalisches Level zu erreichen. Langzeitstudien konnten zeigen, dass El Sistemas Arbeit einen massiven positiven Einfluss auf die Lebensqualität in den beteiligten Gemeinden hat.

Aber Südafrika ist nicht Venezuela, und die südafrikanische Musikerziehungs-Szene ist berechtigterweise misstrauisch gegenüber großangelegten Versuchen, ihre eigenen Strukturen umzukrempeln und durch ein südamerikanisches Modell zu ersetzen. Indem es zunächst einen Austausch zwischen Musikerziehern aus verschiedenen Ländern, Vertretern Venezuelas und südafrikanischen Musiklehrern herstellte, konnte Umculo seine Arbeit auf der Basis eines realistischen Eindrucks von der Ausgangslage und den Bedürfnissen der südafrikanischen Musikerziehung aufnehmen.

Umculo stützt sich auf die enorme Institutionalisiertheit des Chorgesangs in Südafrika und auf die nationale Leidenschaft für Oper. Vor dem Hintergrund einer Gesellschaft, in der hunderttausende von Jugendlichen von einer Karriere als Opernsänger träumen, aber nur sehr wenige von ihnen jemals selbst eine Opernaufführung besuchen konnten, ermöglicht Umculo talentierten jungen Südafrikanern Zugang zu und Beteiligung an einer Form von Kunst, die sie längst zu ihrer eigenen gemacht haben. Dazu kooperieren wir mit lokalen, regionalen und nationalen Organisationen und sind so in der Lage, den Jugendlichen Erfahrungen auf einem hohen musikalischen Niveau zu bieten, zu denen sie sonst keinen Zutritt hätten.

Musiktheater als Instrument für gesellschaftlichen Dialog

Umculo verfolgt ein Konzept, das Musiktheater als Mittel für das Sprechen über gesellschaftliche Zusammenhänge sieht. Jede unserer Produktionen adressiert mit ihren Texten und ihrer Musik bestimmte Themen, die für die südafrikanische Gesellschaft gerade relevant sind. “Noye’s Fludde” (2010) und “King Arthur” (2011) wurden von den Mitgliedern verschiedener Gemeinden erarbeitet, die traditionell miteinander in Konflikt liegen; gegenseitiges Verständnis, kultureller Austausch und Versöhnung waren Ziele dieser Kooperation. “The Fairy Queen” (2012 und 2013) spricht über die Themen Gender und Identität in einem gesellschaftlichen Kontext, in dem geschlechtsspezifische Gewalt, Vergewaltigungen zur “Korrektur” und Morde an der Tagesordnung sind.

Ein Grundpfeiler jedes Projekts sind Kreativ-Workshops für junge Chorsänger, die später einen großen Teil des Publikums stellen. Das darauf spezialisierte Team von Umculo reist dafür in verschiedene Township-Gemeinden, um Halbtageskurse zu leiten und den Teilnehmern hier die Oper als Kunstform vorzustellen, sie an ihr eigenes kreatives Potential heranzuführen und die Themen und Stoffe des Stückes zu erklären, die die Jugendlichen später besuchen. Auf diese Weise sind die Opernproduktionen und die musikpädagogischen Workshops bei Umculo eng verbunden. Die jungen Zuhörer haben die Möglichkeit, die kreativen Prozesse der Aufführenden selbst zu erspüren und so bis zu einem gewissen Grad selbst in die Rolle der Akteure auf der Bühne zu schlüpfen.